CHGEOL Interview mit Adrian Gilli

Der Lehrspezialist und Dozent Adrian Gilli gibt in einem Gespräch mit dem Schweizer Geologenverband (CHGEOL) Antworten auf Fragen über die Lehre, den Studiengang Erdwissenschaften und die Studierendenzahlen.

Das Interview führte Philippe Arnold.

Die ETH Zürich wurde kürzlich in der QS World University Rangliste zur weltbesten (!) Universität im Bereich Erd- und Meereswissenschaften gekürt. Was sagst Du dazu?

Für uns ist das in erster Linie eine sehr schöne Anerkennung, dass wir damit bestimmt zu den Top Universitäten zählen. Dahinter steht ein riesiges Team, das sehr gute Arbeit leistet. Wir sind aber auch nicht zu stolz, ein solches Ranking nicht zu hinterfragen. In erster Linie steht dahinter, wie oft wissenschaftliche Arbeiten des Departements Erdwissen­schaften zitiert werden. Das Ranking ist damit stark auf die Forschung ausgerichtet. In der Lehre haben wir heute etwas mehr als 10 Jahre seit der Bologna-Reform hinter uns. Wir sehen, dass gewisse Sachen gut sind, z.B. dass wir während der Bachelorarbeit die Studierenden sehr früh an die Wissenschaft heranführen können, aber wir sehen auch Mängel. Heute muss jede Vorlesung einzeln geprüft werden und da ist es kein Wunder, wenn die Studierenden von Prüfung zu Prüfung springen/eilen. So lernen die Studierenden schnell vor der Prüfung den geforderten Stoff, um es dann auch wieder schnell zu vergessen und Platz zu machen für die nächste Prüfung. Dies ist eine grosse Schwachstelle des heutigen Systems der universitären Ausbildung.

Aus den Geologiebüros wird immer wieder moniert, die Geowissen­schaftler wiesen Mankos in der Ausbildung aus, z.B. im Bereich Gesteins­ansprache, Quartärgeologie oder regionale Geologie. Hört die ETH die kritischen Stimmen aus der Praxis?

Die ETH nimmt die Kritik aus der Praxis auf, denn auch wir Dozenten möchten, dass die Studierenden das Gelernte besser behalten und besser anwenden können. Deshalb sind wir momentan an einer grossen Bachelorreform, wollen grössere Blöcke/Einheiten schaffen und diese nicht mehr nur isoliert prüfen. Das ist eine Stossrichtung. Wir fragen uns aber auch, ob eine reine Vorlesung als Wissens­vermittlung heute noch zeitgemäss ist. Unserer Meinung nach müssen die Studierenden aktiver in den Lernprozess eingebunden werden und die Möglichkeit bekommen, das Gelernte in verschiedenen Situationen zu üben.

Wie passt das zusammen, bzw. was tut die ETH Zürich um in Zukunft auch im inoffiziellen Ranking der Praxisgeologen besser zu punkten?

An der ETH Zürich haben wir eine Professur für Ingenieurgeologie, die Erdwissenschaften an sich sind aber vielfältiger und beinhalten heute viel mehr als früher. Wir bieten eine sehr breite erdwissenschaftliche Ausbildung und meiner Ansicht nach ist die Praxisgeologie bei uns in der Ingenieurgeologie sehr gut abgedeckt. Was aber uns an der ETH immer mehr «verloren» geht, ist die regionale Geologie. Diese ist in erster Linie extern «deponiert» bei den lokalen Büros. Schon heute unterrichten Praxisgeologen an der ETH und leiten Exkursionen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir zukünftig vermehrt in diese Richtung stossen und auch auf die Büros zugehen werden.

Was kannst Du über sinkende Studierendenzahlen an der ETH sagen?

Wir beobachteten an der ETH sinkende Zahlen bei den Erdwissen­schaften, so hatten wir vor drei Jahren 55 StudienanfängerInnen und im letzten Jahr waren es deren 32. Für das neue Semester in drei Wochen sind nun 46 StudienanfängerInnen eingeschrieben. Obwohl die Zahlen auch schon in der Vergangenheit variiert haben, zeigen die auch an anderen Schweizer Universitäten tiefen Studienzahlen, dass das Geologie­studium nicht mehr so attraktiv ist. Im Gespräch mit Geographie­lehrern erfahre ich immer wieder, dass sie schlichtweg keine Zeit mehr finden, Geologie in den Lehrplan einzubauen und schon mehrmals wurde uns von Lehrpersonen in Geographie die Gesteins­sammlung der Kanti angeboten. Hier gilt es den Daumen drauf zu setzen, Kantischüler und Kantischülerinnnen können sich heute relativ wenig unter Geologie/Erdwissenschaften vorstellen, ganz im Gegensatz zu anderen Fächern wie Biologie, Physik, Mathematik, welche schon an der Kanti «gepaukt» wurden. Wir müssen in Zukunft vermehrt aktiv werden und unser Fachgebiet an den Gymnasien und Kantis besser vorstellen. Wir bieten ein sehr attraktives Studium in geradezu familiären Verhältnissen und ein breitgefächertes Berufsfeld. Wir vom Departement werden sicherlich in diese Richtung aktiv werden. Hier sehe ich auch eine weitere Schnittstelle zur Praxis, zu den Büros. Indem sie immer wieder die Relevanz der Arbeit «verkünden» zeigen sie auf, was ein Geologe bzw. eine Geologin schlussendlich macht.

Was machst Du eigentlich als Lehrspezialist?

Lehrspezialisten beschäftigen sich mit diversen Fragen rund um die Qualität der Lehre am Departement. Dabei beschäftigen uns in erster Linie Fragen zur Lehr- und Studiengangentwicklung, neue Lehr­tech­no­lo­gien wie Videos, digitales Unterrichtsmaterial usw. und Evaluationen von Unterrichtseinheiten. Obwohl die Funktion relativ neu ist, besitzen bereits 9 von 16 ETH Departementen einen Lehr­spezialistenIn. Wir tauschen uns rege und sehr intensiv aus (wöchentliche Meetings), so dass Bewährtes aus anderen Studiengängen bei den Erdwissenschaften eingebaut werden kann.

Organisatorisch sind wir stark mit dem Stabsbereich LET (Lehrent­wick­lung und -technologie) verbunden und ich bin sozusagen deren «Aussen­dienst­mitarbeiter» beim Departement Erdwissenschaften. Bei mir ist im Moment die ganze Bachelorreform sehr zentral. Wie schon erwähnt, verläuft heute die ganze Ausbildung sehr «vorlesungs­lastig» und davon wollen wir uns fortbewegen, hin zu einem angewandten Unterrichtsstil.

Und was wolltest du dem CHGEOL-Newsletter noch sagen?

Ich sehe oftmals wie zwei Welten… auf der einen Seite die Hochschule und auf der anderen Seite die Praxisgeologen und -geologinnen. Ich wünschte mir, dass diese Schnittstelle besser gepflegt wird. Universitäten und Büros könnten sich hier sehr gut ergänzen und Synergien schaffen. Es kann ja durchaus sein, dass die Praxis auf ein Problem/Thema stösst und da «nicht mehr weiter kommt». Warum soll ein Büro mit diesem Problem nicht auf die Hochschule zugehen? Wir blocken da nicht ab, im Gegenteil, wir sind da sehr offen für solche Anliegen aus der Praxis. Ich könnte mir vorstellen, dass daraus spannende studentische Arbeiten entstehen könnten mit einem Gewinn für beide Seiten.

Für den Austausch zwischen Hochschule und Praxis würden sich die Tagungen der externe SeiteSchweizerischen Gesellschaft für Quartärforschung (CH-QUAT) oder das externe SeiteSwiss Geoscience Meeting ideal anerbieten. Und überhaupt frage ich mich, warum CHGEOL am Swiss Geoscience Meeting nicht mit einer Session über angewandte Geologie vertreten ist. Ich bin mir sicher, dass diese Session sehr gut ankäme. Dies wäre eine ideale Plattform um sich zu treffen und um unserem Nachwuchs zu zeigen, wie attraktiv und spannend das Berufsfeld des Geologen ist.

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